Ist das”Einfache” notwendigerweise auch schön?

in: Das Einfache, IFG Ulm (Internationales Forum für Gestaltung) 1994, Anabas Verlag, Giessen 1995

“… als ob es sich von selbst verstünde, was Einfacheit ist und dass sie wertvoll ist”. (Karl Popper)

Was verspricht sich das IFG vom “Einfachen”?

Was verspricht sich das IFG Forum vom “Einfachen”, vom Diskurs über einen Begriff, der ihm auf den Leib geschrieben erscheint. Das müsste doch “einfach” sein, längst überfällig, doch eigentlich das, was an der HFG selbstverständlich war, so einfach, dass es keiner Erklärung bedarf.
– Soll nun, so wird sich mancher gefragt haben, das alles wieder ausgegraben werden, die Rezepte von gestern an einem Ort, der den Anspruch erhebt, zeitkritische Fragen zu Themen der Gestaltung zu behandeln?
– Oder sollte das “Einfache” so eindeutig und zeitlos sein, dass es nur seiner Aktivierung bedarf, um uns Richtschnur in postmoderner Beliebigkeit und vielfach konstatierter Orientierungslosigkeit zu sein?
– Oder sollte “Einfachheit” doch nicht so einfach sein und ihre Interpretation in der Zeit, am Ort und im Metier brauchen?
– Und lohnt es sich überhaupt, über ein so selbstverständliches Thema zu diskutieren, erst recht über seine ästhetische Seite, wo doch “einfach” zuerst einmal, ganz umgangssprachlich, praktisch bedeutet, unkompliziert und verständlich? Man könnte an dieser Stelle auch sagen “sinnfällig”, um die Brücke zur Wahrnehmung zu schaffen.
– Und ist dann sinnfällig, in die Sinne zu fallen, sich mit der Wahrnehmung zu befassen, schon Grund genug, das Thema ästhetisch zu nennen?
So viele Fragen lassen vermuten, dass das Thema nicht so einfach ist und es sich lohnt, darüber zu diskutieren.
Und ich meine, ganz nebenbei, dass wenn der Gesprächspartner dialogbereit ist, er auch zu Erkenntnis fähig ist, und der Dialog das adequate Mittel zur Wahrheitsfindung ist. Diskurs bedeutet Öffentlichkeit und Zwang zu Rationalität, verlangt “common sense”, also Vernunft. Mit den Worten eines Philosophen, Vittorio Hösle: “Ein Versuch, mit dem Anspruch auf Wahrheit, sich aus der Situation, (dem Dialog) herauszureflektieren, ist hoffnungslos inkonsistent”.
Bei meinen Investigationen bin ich ganz empirisch vorgegangen. Ich habe zuerst einmal hingehört, was dasThema “Einfachheit” für den Einzelnen bedeutet und wie er es interpretiert hat. Oder was “Einfachheit” für eine Gruppe bedeutet und wie und warum sie zu einem Programm geworden ist.

Interessant aber nur bedingt nützlich

Aus dem Herkunftswörterbuch bekommt man die Auskunft, dass “einfach” mit dem wort “Fach” zusammenhängt und dort, im Germanischen, Fischwehr, Stück, Teil, Abteilung einer Wand oder Mauer bedeutet. Das Fachwerk ist demnach ein “abgeteilter Raum”. Der Fachmann ist jemand, der für einen abgegrenzten Raum kompetent ist.
“Einfach” ist ein im 15. Jahrhundert aufgekommenes Adjektiv, und bedeutet “einmal, nicht doppelt, nicht zusammengesetzt” und wird schon im 16. Jahrhundert im Sinne von “schlicht, gering” verwendet, aber auch im Sinne von “leicht zu verstehen”.
Die Etymologie, die Erforschung der sprachlichen Herkunft, zeigt, dass der Begriff “fach” zuerst praktisch, dann aber auch im übertragenen Sinne verwendet wurde. “Einfach” wird als Wert verstanden und hat sich umgangssprachlich festgesetzt in Ausdrücken wie: “je einfacher, desto besser”. Im Japanischen bedeutet “Kirei”: Einfachheit, Reinheit, Schönheit. Anton Stankowsky, ein Pionier moderner Gestaltung, spricht vom “Versachlichen – Vereinfachen -Vermenschlichen”. “Einfach” bedeutet, in moderner Interpretation, die Reduzierung auf das Wesentliche und das Verständliche, ist Vorbedingung dafür, dass wir etwas als Schön empfinden, hat also eine praktische, eine sinngebende und eine ausdrucksgebende Dimension.
Einfachheit stilistisch zu interpretieren wäre aus dem Gesagten ein schlimmer Formalismus.
Ich will deshalb mit Geschichten beginnen, also empirisch vorgehen undGeschichten erzählen, an denen ich meine Argumentation festmache.

Das “Einfache” als das Praktische

Auf einer Fahrt nach Berka hat Goethe dem mitfahrenden Eckermann die “Geschichte” des Binsenkorbes erzählt. “Ich habe ihn aus Marienbad mitgebracht, wo man solche Körbe in allen Grössen hat, und ich bin so an ihn gewöhnt, dass ich nicht Reisen kann, ohne ihn bei mir zu führen. Sie sehen, wenn er leer ist, legt er sich zusammen und nimmt wenig Raum ein; gefüllt, dehnt er sich nach allen Seiten aus und fasst mehr, als man denken sollte. Er ist weich und biegsam und dabei so zähe und stark, dass man die schwersten Sachen darin fortbringen kann…er ist nicht allein so vernünftig und zweckmässig als möglich, sondern er hat auch dabei die einfachste, gefälligste Form, so dass man sagen kann: er steht auf dem höchsten Punkt der Vollendung”.

Das Einfache ist hier zuerst einmal praktisch. Goethe war ein praktischer Mensch, der, wie kaum ein anderer es verstand, seine Umgebung so zu gestalten, dass sie seinen Arbeits-und Lebensabsichten dienlich war.Er argumentiert hier, wir würden heute sagen, ganz funktionalistisch. Ganz selbstverständlich ist für ihn, dass das Zweckmässige einfach und dass das Einfache auch gefällig ist. Diese Verknüpfung ist schon nicht ganz einfach. Dass er aber auch noch ein Werturteil damit verbindet, dass nämlich das Einfache und Gefällige sich auch auf dem “höchsten Punkt der Vollendung” befindet, lässt uns einerseits seine Weitsicht bewundern, weil er mit seiner schlichten Geschichte uns bekannte Gestaltungsideologien des 20. Jahrhunderts damit treffend vorweggenommen hat, andererseits aber auch auf eine andere Seite des Begriffes hinweist, die man als die ästhetisch/pragmatische bezeichnen kann.

Man kann zwei Seiten des Begriffs “Einfachheit”ausmachen: die erkenntnistheoretische Seite, z.B. bei Popper in seiner “Falsifikationstheorie”. Nicht bei der Verifizerung einer Theorie, so sagt er, sondern bei ihrer Falsifizierung, würde sich ihr Wert erweisen und bei der Bewertung einer Theorie wäre die einfachere die bessere, weil sie leichter zu falsifizieren ist und damit zu neuer Erkenntnis beiträgt.

Daneben steht die konventionalistische Seite des Begriffes, wie wir ihn umgangssprachlich verwenden.Einfachheit, wie auch Schönheit, haben hier einen ästhetisch/pragmatischen Charakter und sind keine “Wesenheit” vor aller Erfahrung, keine reine Idee, sondern “Inhalte der Anschauung” (Seitz) und sprachlicher Verallgemeinerung. Als praktischer Gestalter, soll diese Seite mein Thema sein.

Das “Einfache” als das Ökologische

“Je einfacher desto besser” wäre das Leitmotiv für die Entwicklung einer Trocknungsanlage für unterentwickelte Länder gewesen, so Prof. Mühlbauer von der Uni Hohenheim. Sie sollte einfach zu handhaben sein und mit Materialien, die es auf der ganzen Welt problemlos gibt, billig zu erstellen sein. Mit der Anlage könnte man Früchte, Gewürze, sogar Fische und Hähnchen so schonend trocknen, dass man für die deutlich verbesserte Qualität mehr als das Doppelte des bisherigen Verkaufserlöses bekommen könnte.Die Anlage arbeite mit Sonnenenergie, wäre vom Wirkungsgrad nicht gerade optimal, aber für den Bauern die billigste Lösung. Die Anlage würde nur ein Fünftel der handelsüblichen Industrietrockner kosten und wäre besonders für Länder geeignet, die kein Holz oder fossile Brennstoffe besässen. 10 Jahre hätte man für die Entwicklung gebraucht und man wäre stolz auf das Resultat.

Mit Recht, so meine ich. Einfacheit ist hier ganz praktisch verstanden. Die Urheber des genannten Produktes sind nicht den technologischen Mythen erlegen, haben sich auf das Gegebene konzentriert und intelligent arrangiert. Sie haben versucht, den Armen der Welt zu helfen und ökologische Verantwortung gezeigt.

Ob die Anlage als solche schön ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Ihr Ergebnis, die preiswert und schonend getrockneten Lebensmittel, geniessen wir kulinarisch, vermuten auch, dass sie unserer Gesundheit dienlich sind und haben, weil ökologisch hergestellt, auch ein gutes Gewissen dabei.

Das “Einfache” als das Elementare und Archaische

Das Seil war gespannt, um das Heu von den steilen Hängen zu Tal zu lassen. Hatte man doch tatsächlich den Haken vergessen, um das volle Netz daran anzuhängen. Zur Hand waren die Werkzeuge des Bergbauern, Sichel, Sense und Axt. Ein Hainbuchenast wird gefunden, das richtige Holz dafür, eine Astgabel herausgetrennt, in der richtigen Stärke und mit gekonnten Axthieben wird daraus ein zweckmässiger Haken geformt. Ganz einfach.

Was ist das nun für eine Einfachheit, die mit elementaren Mitteln ein praktisches Problem löst?. Sicherlich nicht das, was man technologische Intelligenz nennen würde, oder die Engländer “sophisticated”. Auch kann man nicht von Erfindungsgabe reden oder von genialer Vereinfachung. Wenn wir uns die Situation vorstellen, in der das Produkt gemacht wurde, müssen wir das Können bewundern, das aus einem ungeformten Ast ein handliches Gerät werden lässt. An ihm offenbahrt sich ein Stück handwerklicher Meisterschaft. Handwerkliches Können hat immer seine Bewunderer gehabt, oft nur seine kunstvolle Seite oder seine ornamentale, oft genug auch seine manieristische.

Wenn sie uns in dieser Form entgegen tritt, in genialer Einheit von Zweck und Mittel, anonym, frei von jeder Darstellungsabsicht, wenn die Meisterschaft sich am Einfachsten zeigt, dann können wir, so meine ich, uns ihrer elementaren Kraft nicht verschliessen. Wir finden sie schön.

Das “Einfache” als das Naturbelassene

Dass Tomaten mit Mozzarella, mit Basilikum garniert und mit Olivenöl, Pfeffer und Salz angemacht, unter freiem Himmel im Tessin eine Köstlichkeit sind, darüber war man sich einig; köstlich und einfach, – einfach köstlich. Auch die sorgsam über den Risotto gehobelten Trüffel wären köstlich, – aber einfach? Und Krustchows Lieblingsgericht, das, wie er sagte, etwas bäuerliches und ganz einfaches wäre, nämlich Kaviar und Pellkartoffeln, machte die Runde nachdenklich. Einfach wäre eine Speise, die, naturbelassen und als solche erkennbar, ohne aufwendige Zubereitung, auf den Tisch käme. Und die “Nouvelle Cuisine” wäre das nicht. Ob ein teures und exklusives Nahrungsmittel auch einfach sein kann, war schon schwieriger zu beantworten. Eigentlich müsste man von der Seltenheit und dem Preis abstrahieren, so war die Meinung, und irischer Lachs im Mandarin Hotel in Singapore wäre nicht einfach, aber Polenta mit Steinpilzen in der Cantina in Tegna sehr wohl. Das wäre schön. Und der lokale Wein des Piemonte aus dem Boccalino würde dazu auch besser passen als der Chianti aus der Toskana. Und abscheulich wäre es, dazu einen Rheinwein zu trinken.

Einfachheit ist hier synonym mit naturbelassen, unkomplizert und örtlich verfügbar. Das am Ort Gewachsene erscheint ökologisch sinnvoll und die kulinarische Einheit von lokalen Ressourcen und Kunst der Zubereitung, wird ästhetisch empfun-den, als kulturelle Eigenart und besondere Qualität.

Das “Einfache” als das Ethische

“Bereue deine Sünden und führe ein reines Leben. Reinheit und Einfachheit sind die höchsten Tugenden. Einfacheit ist die Verkörperung von Reinheit, (purity) und das, was am Nützlichsten ist, besitzt die grösste Schönheit; beauty rests on utility, Schönheit entspringt der Nützlichkeit”.

Das waren die Glaubensprinzipien von Ann Lee, der Gründermutter der Shaker, einer amerikanischen Sekte, die ihren Ursprung im Puritanismus hatte.
Luxus verstellt den Blick aufs Jenseits. Im Diesseits sollte man sich auf das Wesentliche beschränken, auf das Karge, das Nützliche, das Einfache und das Reine.

Im 20. Jahrhundert hat man den Hausrat der Shaker wiederentdeckt und in einer Ausstellung gezeigt mit dem Titel. “Der verborgene Sinn, – funktionelles Design im 19. Jahrhundert”, in den USA, sowie in einer vielbeachteten Wanderausstellung in Europa. Shaker Möbel haben die Gestalter immer wieder angeregt und haben den Funktionalisten wie den Traditionalisten reichlich Stoff geliefert.

Die Koppelung von einfach, gottgefällig und schön, gehört zum Programm der protestantischen Bewegungen, aus dem auch die Heiligung der Berufsarbeit und die Zügelung des Genusses entsprossen sind. “Bedenke, dass Zeit Geld ist”, ist keineswegs eine Erfindung des 20. Jahrhunderts, sondern stammt von Benjamin Franklin und ist zum Glaubensbekenntnis des Yankeetums geworden, das, wie Max Weber sagt, letztendlich den “Geist des Kapitalismus” verkörpert.

Protestantischer Ethos quillt auch aus allen Knopflöchern der Moderne, als Weltanschauung, als “Gesinnung für das Einfache und Gediegene”, so Muthesius, der Unterstützung bei Goethe findet, wo der sagt, dass “eine bequeme und geschmackvolle Umgebung ihn in einen passiven Zustand versetze und prächtige Zimmer und elegantes Hausgerät etwas für Leute wären, die keinen Gedanken haben oder haben mögen”.

Das Karge und Schmucklose ist auch immer wieder als das Höherstehende propagiert worden, so die schmucklosen Brettermöbel des Purismus, die Arbeitermöbel um 1912, der “Hausrat des Siedlers”, empfohlen vom Reichsheimstättenwerk oder das vom “Amt für Schönheit der Arbeit” propagierte Hausgerät. Es scheint auch, dass Beschränkungen in Zeiten der Not angesagt sind und, um sie zu propagieren, auch ästhetisiert wurden.

In schon verinnerlichter Form tritt uns das Unkomfortable als Wert entgegen, wenn wir unseren Kindern gegenüber eine ungeliebte Speise oder Arznei mit dem Hinweis rechtfertigen, dass sie aber gesund sei, oder wenn wir kraftmeierisch sagen, “was uns nicht umbringt, macht uns stark”.

Das Einfache ist das Reine und Gottgefällige, weil es unbequem ist und Disziplin verlangt. Und weil es uns für das Jenseits ausrichtet, ist es auch wertvoll und schön.

Das “Einfache” als das Ästhetische
- das wahrnehmungsmässig Geordnete.

Wenn man entwerfend einen Gedanken zu Papier bringt, einer Idee Gestalt zu geben versucht, sie räumlich oder in Ansichten visualisiert, wenn man dann ,im Dialog mit sich selbst, das Auge das Ergebnis kontrollieren lässt,undwenn, um das Ergebnis festzuzurren, man Masse und Proportionen festlegt,vielleicht ein Raster darüber legt und es sich in einfache Verhältnisse und bekannte Figuren bringen lässt, – dann ist man beglückt.

Warum eigentlich? Wahrnehmungsmässig wird das Einfache dem Komplizierten vorgezogen.Ein Kreis ist prägnanter als eine irreguläre Figur. Immer wieder sind, seit der Antike, die regulären Figuren und die elementaren Körper, als ästhetisches Programm aufgetaucht, so als platonische Körper, die gleiche Flächen, gleiche Kanten und gleiche Knoten aufweisen. Sie besitzen ein hohes Mass an Ordnung und sind geometrisch und mathematisch einfach zu beschreiben.

Aber es ist nicht nur die einfache Beschreibbarkeit, die sie interessant macht, sondern auch ihre geometrisch/ physikalischen Eigenschaften; dass z.B. der Tetraeder der Körper ist, der mit der grössten Oberfläche das geringste Volumen umschliesst und die Kugel das grösste Volumen mit der geringsten Oberfläche; – naturgesetzliche Fakten, die zum Repertoire des Entwerfers gehören.

Aber nicht nur ihre Praktikabilität, sondern auch ihre wahrnehmungsmässigen Eigenschaften, haben sie zum Programm werden lassen, wozu Platon zitiert wird, der im Philebos sagt: “I ch will versuchen von der Schönheit der Form zu reden, …ich meine gerade Linien und Kurven und die aus ihnen gemachten Formen, flache oder körperhafte, hergestellt mit der Drehbank oder mit Winkel und Winkelmass. Diese sind nicht schön wegen irgend eines besonderen Grundes oder Zwecks, … sondern durch ihre wahre Natur schön und geben Freude durch ihr Dasein, gänzlich frei vom Juckreiz des Begehrens….”.

Die Pythagoräer haben, um weiter in der Antike zu verweilen, uns ein Schema hinterlassen, das die musikalischen Intervalle geometrisch ableitet, als ganzzahlige Unterteilungen des Monocords, die wir als harmonisch empfinden. In ihm enthüllt sich der Triumpf der Zahl, der ganzen Zahl, also einfach im ethymologischen Sinne, der Zahl als Schlüssel zum Kosmos, oder der Zahl, die unsere visuelles und akustisches Harmonieempfinden bestimmt.

Spätestens hier melden sich Zweifel. Die Zahl Pi, 3.14, passt so gar nicht in das Konzept der algebraischen Einfachheit und wie viele Naturkonstanten gibt es, die nicht ganzzahlig sind!

Hier zeigt sich eine Kluft zwischen wahrnehmungsmässiger Einfachheit und mathematischen Beschreibung der physikalischen Realität.
Für die Wahrnehmung, so scheint es, ist das Einfache wohl tauglich, für die Beschreibung der Wirklichkeit wohl weniger.

Aber auch hier, beim wahrnehmungsmässig Einfachen, melden sich nochmals Zweifel. Wird nicht das Einfache als langweilig empfunden, das einfache Raster als tödlich, die ewige “Kuberei” als gestrig, Symmetrie und Ordnung als phantasielos?

Das Einfache ist nicht für den, der Aufregung braucht und Stimulanz sucht, der angeregt und aufgeregt werden will. Einfachheit ist für den, der Ruhe und Ordnung sucht. Finsterlin hat es prophetisch formuliert: “Und einmal dann wird kommen der Tag, da das grosse Einfache wiederum heraufdämmert, mit seiner ewigen Ruhe, dieser allerhöchsten, uns gerade noch vorstellbaren Steigerung der Wirklichkeit”.
Hier ist das Einfache etwas Spirituelles, das Ordnung, Ruhe und Einvernehmen mit dem Kosmos bedeutet.

Schluss

Einfacheit ist ein Begriff, der vielfach “geladen” ist;- mit praktischen, nützlichen, ethischen und ästhetischen Inhalten. Jede Generation hat ihn mit Inhalten gefüllt und ihm Bedeutung gegeben. Sie wird individuell, professionell und gesellschaftlich gedeutet werden müssen. Und das wird auch weiter so sein. Einfacheit hat ihren Gegenpart in der Üppigkeit, der Opulenz, dem Komplizierten, dem Aufbrechen der Konvention, des Gewagten und des Unkonventionellen. Auch das sind gesellshaftliche Werte.

Was heute einfach erscheint, war vielleicht einmal neuartig, exotisch, vielleicht sogar manieristisch, so lange, bis wir es ästhetisch verarbeitet haben.
Einfachheit wird erst einfach, wenn wir ihr das das Gegenteil gegenüberstellen, sie dialektisch betrachten.
Einfacheit hat, und das macht sie so bedeutungsvoll, eine rationale Dimension: Sie verheisst Vernunft,Verantwortung, Ordnung, Verständlichkeit und Schönheit. Das ist nicht wenig und eine Betrachtung wert.

Wenn Sie mir erlauben, will ich, ungeschützt und anfechtbar, aus dem Gesagten versuchen, eine Interpretation zu finden, um mein Thema auf den Punkt zu bringen:
Einfachheit wird dann als schön empfunden:
– wenn sie uns dienlich ist und ihren Zweck erfüllt,
– wenn sie “in die Sinne fällt” und verständlich ist,
– wenn sie das Ergebnis einer intellektuellen oder manu- fakturellen Leistung ist,
– wenn sie “Form” hat, formale Qualität beweist.
– wenn sie das richtige Mass zwischen demonstrativer Ord- nung und stimmulierender Vielfalt findet,
– wenn ihr Gebrauch mit unseren moralischen und ethi- schen Werthaltungen korrespondiert,
Oder, ganz verkürzt, praktisch und vernünftig, sinnfällig, innovativ, angemessen, moralisch und gefällig ist.
Das ist anspruchsvoll und, so meine ich, nicht einfach.

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