Raum und Form. Zum Unterschied von Architekten und Designern
in: ach Egon, die Zeitung vom Lehrstuhl Gebäudelehre und Entwerfen, Universität Karlsruhe
ach#8 März – April 2004
Immer wieder gibt es Diskussionen zwischen Architekten und Designern, auch zwischen den anderen gestaltenden Disziplinen, darüber, wer nun die wichtigste Disziplin ist, wer die längste Tradition hat, wer den größten sozialen Beitrag leistet oder wer die Moral gepachtet hat und sich der Gesellschaft am meisten verpflichtet fühlt. In meinen Augen ist das eine müßige Diskussion. Wir, die gestaltenden Disziplinen, müssen uns zusammenfinden, um der Gestaltung Gewicht zu verleihen. Wir müssen professionelle Barrieren überwinden und uns gegenseitig besser kennen lernen. Dazu einige Gedanken:
(1) Architekten und Designer haben letztendlich die gleiche soziale Aufgabe, nämlich durch Konzipierung und Gestaltung der dinglichen Welt die Lebensqualität praktisch und geistig zu befördern.
(2) Beide benutzen die Regeln der formalen Gestaltung, mit denen sie ihr Anliegen ausdrücken und in praktische Lebenswelten übersetzen. Sie wirken durch Form und Gestalt, durch zeichenhafte “Setzungen“, mit denen sie hoffen, vom Nutzer verstanden zu werden.
(3) Beide wirken durch ihre Fähigkeit, der dinglichen Welt Gestalt zu geben. Damit wirken sie auf das Bewusstsein, weil bewusstseinsverändernde Haltungen zum großen Teil ästhetisch vermittelt werden.
(4) Architekten und Designer haben eine unterschiedliche Geschichte der Professionalisierung durchgemacht. Die Architektur hat eine lange Geschichte, die der Designer ist ein Kind der Industrialisierung und beginnt erst im 19 Jahrhundert. Daraus haben sich unterschiedliche Denk- und Arbeitweisen entwickelt.
(5) Architekten und Designer haben unterschiedliche Auftraggeber: die Architekten den individuellen oder kommunalen Auftraggeber, die Designer den anonymen Konsumenten.
(6) Das Arbeitsergebnis des Architekten ist in der Regel ein Unikat, das des Designers ist ein Massenprodukt.
(7) Aus diesen unterschiedlichen Aufgabenstellungen haben beide Professionen ihre eigene Methodologie und Entwurfspraxis entwickelt.
(8) Dabei hat die Design -Profession, als Kind der Industrialisierung, sich Denk- und Arbeitsweisen aus Architektur und Ingenieurwesen zu Nutze gemacht, dann aber auch einen eigenständigen Berufskodex entwickelt.
(9) Professionelle Animositäten behindern den Dialog zwischen den Disziplinen. Das ist zutiefst bedauerlich. Bei wem Moral und Glaubwürdigkeit zu finden ist, wenn das überhaupt noch Werte sind, bleibt eine interprofessionelle Diskussion.
(10) Mehr Verständnis der gestaltenden Disziplinen untereinander wäre ein Gewinn, der Synergien entfachen könnte. Auch politisch gesehen brauchen wir eine Solidarisierung aller gestaltenden Disziplinen.